19. September 2024

100 Jahre Dialyse

Die Blutwäsche kam 1924 erstmals beim Menschen zum Einsatz

Wie Klärwerke des Körpers filtern die Nieren aus dem Blut Giftstoffe heraus, die im Körper entstehen oder über die Nahrung aufgenommen werden. Mit dem Harn wird das Gift abgeführt. Gleichzeitig regulieren die Nieren den Salz- und Wasserhaushalt des Körpers. Bei einem Nierenversagen, auch Niereninsuffizienz genannt, kommt es zur akuten oder chronischen am Ende tödlichen Vergiftung des Körpers.

Hilfe wurde für die Betroffenen erst durch die Hämodialyse oder kurz Dialyse absehbar, ein Blutreinigungsverfahren, das 1924 erstmals beim Menschen zum Einsatz gekommen ist. Entsprechende Tierversuche hatte es schon seit 1913 vor allem in den USA und Deutschland gegeben. Der Gießener Arzt Georg Haas, einer der Wegbereiter der Nephrologie, nahm im Sommer 1924 die erste Dialyse an einem menschlichen Patienten vor. Das Prinzip des auch als „künstliche Niere“ bezeichneten Verfahrens: In einem Gerät, das an den Blutkreislauf angeschlossen wird, werden die Stoffe aus dem Blut herausgefiltert, die gefährlich sein können. Dann wird das Blut in den Körper zurückgeleitet. Zur Herabsetzung der Blutgerinnung wird anfangs Hirudin, später Heparin verwendet. Das Dialysegerät ist das erste beim Menschen eingesetzte künstliche Organ.

Die ersten Patienten haben die Behandlung allerdings nicht lange überlebt. Sie waren zu stark vorgeschädigt, die Technik war damals noch nicht ausgereift. Erst seit 1945 wird das Verfahren erfolgreich angewandt, seit den 1960er und vor allem 1970er Jahren in stetig wachsendem Umfang. Dialysepatienten müssen in der Regel dreimal in der Woche für etwa vier bis fünf Stunden an die künstliche Niere angeschlossen werden. Die Behandlung ermöglicht den Betroffenen aber oft, ein ansonsten weitgehend normales Leben zu führen und einer Berufstätigkeit nachzugehen. Daher gilt die Dialyse als eine der großen Errungenschaften in der Medizin. Allerdings hat sie ihre Grenzen, erläutert Univ.-Prof. Dr. med. Daniel Patschan, Leitender Oberarzt Nephrologie und Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik Innere Medizin I am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel. Die Maschinen seien sehr weit entwickelt und leisteten gute Arbeit. Trotz der Blutwäsche finde aber eine schleichende Vergiftung des Körpers statt. Problematisch sind etwa Phosphorverbindungen. „Es gibt maschinell keine maximal effiziente Möglichkeit, die gesunde Niere zu ersetzen“, betont Prof. Dr. Daniel Patschan. Oft ermöglichten die Geräte es, noch zehn Jahre mit ihrer Hilfe zu überleben, in manchen Fällen auch noch deutlich länger. Deutlich besser sei dem Patienten aber mit der Transplantation einer Spenderniere geholfen. Allerdings sind die Wartezeiten für die Organspende lang und auch hier kann es zu Komplikationen kommen, in Form von Abstoßungsreaktionen und Nebenwirkungen der dagegen verabreichten Medikamente.

Könnten in Zukunft neue technische Entwicklungen eine bequemere und zuverlässigere Behandlung ermöglichen? So gibt es die Idee einer künstlichen Niere, die fest in den Körper eingepflanzt wird. In den USA wurden entsprechende Tierversuche an Schweinen durchgeführt. Aus Sicht von Prof. Dr. med. Daniel Patschan sind solche Ideen aber weit von einer Übertragbarkeit auf den Menschen entfernt. Ob sie zu verwirklichen wären, stehe in den Sternen. Hilfreich wäre es dagegen, würden chronische Nierenerkrankungen früher erkannt, sagt er. Nierenerkrankungen bringen oft über lange Zeit keine Schmerzen oder deutlich erkennbaren Beschwerden mit sich. Werden sie zu spät behandelt, ist das Organ aber bereits so stark betroffen, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist. Frühe Anzeichen eine Nierenerkrankung können zum Beispiel schäumender oder farbveränderter Urin sein, außerdem eine zu geringe Urinmenge, Schmerzen beim Wasserlassen oder in der Nierengegend, außerdem Flüssigkeitsansammlungen, Appetitlosigkeit oder Abgeschlagenheit. Solche Beschwerden sollten durch den Arzt abgeklärt werden.


Im Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel gibt es seit 2018 eine eigene Dialysestation, mit der sich die Bedingungen für nierenkranke Patienten deutlich verbessert haben. „Die Dialyse hat für das Haus deutliche Vorteile gebracht“, sagt Prof. Dr. Daniel Patschan. Ablesbar ist das auch an den Zahlen. Wurden 2018, im ersten Jahr der Station, insgesamt 450 Blutwäschen durchgeführt, so wurde 2023 eine mehr als zehnfach höhere Zahl erreicht: insgesamt 4580 Dialysen. Zu etwa zwei Dritteln handelt es sich dabei um die regelmäßigen Termine von 22 Dialysepatienten, die dauerhaft am Klinikum behandelt werden. Das übrige Drittel entfällt auf nierenkranke Patienten, die stationär am Klinikum aufgenommen wurden, oft wegen anderer Beschwerden. Es gibt in der Dialysestation 15 feste Behandlungsplätze und zusätzlich acht portable Maschinen, die zu den Patienten gebracht werden können. Die Dialysestation im Uniklinikum Brandenburg ist bereits jetzt stark ausgelastet. In Zukunft ist mit noch mehr Patienten zu rechnen, weil die Hochschulambulanz für Nierenheilkunde verstärkt wird.

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